Kleinmaischeid TO: E N G L I S H   V E R S I O N Kleinmaischeid

Klein(e)maischeid - Seite

Über Geografie, Wirtschaft und Kultur im Zentrum der neuen Europäischen Union
(von Rolf Stein)

*** Sorry, einige Links auf der Seite sind veraltet ***


Kleinmaischeid aus Richtung Brüssel gesehen

Das neue Zentrum: Kleinmaischeid

Durch die Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai 2004 ist ihr geographischer Mittelpunkt ostwärts gerückt. Das Zentrum der Europäischen Union mit 15 Mitgliedsstaaten befand sich in Viroinval in Begien. Laut Berechnungen von J.-G. Affholder vom Institut Géographique National, Paris liegt der geographische Mittelpunkt der EU nach ihrer Erweiterung auf 25 Mitgliedsstaaten nun in Kleinmaischeid in Deutschland.

Die Koordinaten des neuen EU-Mittelpunkts sind, um genau zu sein: 7° 35´ 31´´ östliche Länge und 50° 31´ 31´´ nördliche Breite - ein Punkt, der im Dreieck der Gemeinden Kleinmaischeid, Rüscheid und Thalhausen liegt (siehe Karten unten). Und da die letztgenannte Gemeinde mein Geburtsort ist, komme ich als Wirtschaftsgeograph natürlich kaum umhin, etwas über das neue EU-Zentrum und seine nähere Umgebung zu schreiben.

Geografie: Neuwied, Koblenz, Deutschland, Europäisch Union

Wie findet man das Herz des neuen Europas? Kleinmaischeid liegt zwischen den Ballungszentren Köln und Frankfurt, etwa 70 Kilometer südöstlich von Köln. Die Autobahn verläuft ganz in der Nähe (Ausfahrt Dierdorf), ebenso die kürzlich eröffnete neue Hochgeschwindigkeitstrasse des Intercity Express (ICE). Geographisch gehört Kleinmaischeid zur Region Westerwald (bei Wikipedia), der Landschaft zwischen dem Rhein im Westen, dem Flüsschen Sieg im Norden und der Lahn im Süden. Verwaltungstechnisch zählt es zum Landkreis Neuwied (EU-Speak NUTS 3), der wiederum Teil des Regierungsbezirks Koblenz (NUTS 2) ist . Kleinmaischeid liegt somit im Zentrum der „Blauen Banane“, der wirtschaftlichen Kernzone der EU, die sich von der Weltstadt London im Norden, den Rhein entlang, bis herunter zu den boomenden Regionen der Mittelmeerküste erstreckt.

Karten:

Karte 1: Kleinmaischeid und Nachbardörfer mit Verwaltungsgrenzen und Siedlungsgebieten.
Von www.bund.de, tippen Sie dort Kleinmaischeid in das Feld „Gemeinde“.

Karte 2: Kreis Neuwied mit Verwaltungsgrenzen der Gemeiden
Von www.bund.de, auf Neuwied clicken.

Wirtschaft: Wachstum von Bevölkerung, Sozialprodukt und - Buchenwäldern

Einige Basisdaten für die Region Koblenz sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Da diese Region zahlreiche Städte längs des Rheintals einschließt, ist die Bevölkerungsdichte höher, als sie es in den hügeligen Regionen des Westerwaldes allein wäre, obwohl dort in vielen Gemeinden während der letzten Jahrzehnte ein steter Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen war. Zum Beispiel erhöhte sich von 1989 bis heute die Zahl der Einwohner von Kleinmaischeid von 930 auf 1300. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt nicht weit unter dem EU-Durchschnitt, die Region ist also relativ wirtschaftstark. Der Bevölkerungsanteil der unter 15-Jährigen trifft exakt den EU 15 Wert und ist somit bemerkenswert höher als im Rest der Bundesrepublik. Die Arbeitslosigkeit ist dagegen erheblich niedriger als im Durchschnitt Deutschlands oder der EU. Obwohl die Region Koblenz weitgehend noch durch eine ländliche Siedlungsstruktur geprägt ist, weist der hohe Index für Patent-Anmeldungen (pro eine Million Einwohner) doch auf Industrien mit einigen Innovationspotential hin. Die Struktur der in der Region erreichten Bildungsabschlüsse der Bevölkerung (zwischen 15 und 64 Jahren) ist typisch für Deutschland. Der Anteil der Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss dominiert eindeutig und ist sogar höher als im bereits hohen bundesdeutschen Durchschnitt, der wiederum weit höher als der EU Durchschnitt ist.

Tabelle: Ausgewählte Daten für Kleinmaischeids  Region Koblenz, Deutschland und die EU

 

Region Koblenz

Deutschland

EU 15

EU 25

Bevölkerungsdichte

188,5

230,6

117,0

114,2

BIP/Kopf (EU15=100)

84,0

100,4

100,0

91,1

BIP/Kopf (EU 25=100)

92,1

110,2

109,7

100,0

% Bevölk. < 15 Jahren

16,8

15,7

16,8

17,1

Arbeitslosenquote

3,2

9,4

7,8

9,0

Patentanmeldungen

189,2

296,2

153,6

128,6

Einfacher Bildungsab.

18,0

17,0

35,4

32,6

Mittl. Bildungsabschl.

62,7

60,7

42,9

46,7

Höh. Bildungsabschl.

19,3

22,3

21,8

20,6

Quelle: Third Report on Economic and Social Cohesion, Commission of the EU, 2004.

Vor nur ein oder zwei Generationen waren viele Menschen in den hügeligen Regionen arme Nebenerwerbslandwirte, welche die Bewirtschaftung von Kleinbauernhöfen mit einer Erwerbstätigkeit in meist entfernt gelegenen Industriebetrieben verbanden. Inzwischen haben sich auch in den ländlichen Gebieten viele kleine und mittlere Betriebe angesiedelt und die Beschäftigung im Dienstleistungssektor ist gestiegen, erfordert aber meist ein Pendeln in die größeren Städte. Die Industrie vor Ort ist durch eine breite Streuung der Branchen gekennzeichnet, einige Unternehmen sind im Bereich fortgeschrittener Technologien tätig (z.B. die Kern GmbH, Großmaischeid). Im benachbarten Landkreis Westerwaldkreis sind viele Betriebe auf die Keramikherstellung spezialisiert und haben die Region als „Kannebäcker Land“ berühmt gemacht. Die Keramikindustrie bildet damit eines der zukunftsträchtigen Wirtschaftsnetzwerke bzw. Cluster im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Alles in allem zählt Kleinmaischeid zu einer recht prosperierenden Region mit einer vergleichsweise jungen und gut ausgebildeten Bevölkerung, die in einer Gesellschaft lebt, in der soziale Spaltungen kaum eine Rolle spielen und in der man eine relativ intakte Umwelt genießen kann. Eine nachhaltige Region also? Beispielhaft für die Umweltsituation sind fantastische Buchenwälder (und Buchenholz) aus der Region:


Alan und die dicke Buche

Tonis Buchenholz - für die Heizung!

Kultur: Traditionen und Vereine, Kastelle und Karneval

Mit der Verlagerung des geographischen Mittelpunktes der EU nach Kleinmaischeid hat eine symbolische Verschiebung stattgefunden. Während sich das alte Zentrum in Belgien, 200 km westwärts des Rheins befand, liegt das neue Zentrum östlich des Rheins, wenn auch nur etwa 10 km Luftlinie entfernt. Es liegt damit auch noch jenseits des alten römischen Grenzwalls Limes, der seinerzeit das Römische Reich von den germanischen Territorien trennte. Wenn man von erhöhter Lage in Kleinmaischeid etwa 2 km westwärts schaut, sieht man die Wälder, durch die der Limes einst geschlagen wurde. Mit den neuen Mitgliedsstaaten im Osten Europas werden die politischen Debatten, die Institutionen und nicht zuletzt - die Mittelverwendung - der Europäischen Union stärker vom östlichen Europa geprägt werden.

Im Mittelalter wurde Kleinmaischeid von dem einst einflussreichen Adelsgeschlecht auf der Isenburg regiert, die im gleichnamigen Dorf einige Kilometer auf der Hauptstrasse südlich von Kleinmaischeid liegt. Folgt man dieser Straße so gelangt man ins Rheintal, wo nicht weit stromaufwärts bei Koblenz das inzwischen zum Weltkulturerbe erklärte Mittelrheintal beginnt. Zahlreiche Burgen und Denkmäler umgeben das von pittoresken Ortschaften und üppigen Weinbergen geprägte Tal.



Kirche und Burgruine Isenburg

Kapelle Hausenborn in Isenburg 

Im feudalistischen Deutschland bestimmte die Religionszugehörigkeit des Adels die Konfession seiner Untertanen, deshalb waren die Einwohner Kleinmaischeids römisch-katholisch, wie viele in den Gemeinden in der östlichen Umgebung. Die westlich von Kleinmaischeid gelegenen Gebiete des Westerwaldes wurden nach der Reformation jedoch überwiegend protestantisch. Diese seit langer Zeit währende Trennung verursachte manchen Zwist, der noch vor einigen Dekaden spürbar war. Aber mit der Modernisierung verschwand letztlich die Bedeutung konfessioneller Differenzen. Trotzdem hat die Spaltung ihre Spuren in der Politik hinterlassen: Die Christdemokraten schneiden meist besser ab in überwiegend katholischen, die Sozialdemokraten in den eher protestantischen Gemeinden.

Neben religiösen Traditionen verfügen die meisten Orte immer noch über bedeutendes lokales Brauchtum und ein lebendiges Gemeindeleben, das durch viele Kultur- und Sportvereine unterstützt wird, z.B. Chöre, Fußballvereine oder Gruppen, die sich dem Naturschutz widmen.
Viele Bewohner des Westerwalds sprechen bis heute den heimischen Dialekt, der für Auswärtige oder ausschließlich des Hochdeutschen Mächtige oft schwer verständlich ist. So heißt Kleinmaischeid bei den Einheimischen vor Ort "Kläänmääschd".
Bemerkenswert aufwändig und fantasievoll wird der Karneval im kleinen (katholischen) Kleinmaischeid gefeiert: Kleinmaischeids neuer prominenter Status wird sich sicherlich im nächsten Karnevalszug der Gemeinde manifestieren, wenn lokale und nationale Politik ins Blickfeld heimischen Witzes gelangen.

 

Nichts währt ewig

Abschließend muss gesagt werden, dass die Ehre, das geographische Herz der EU zu sein, nur von begrenzter Dauer sein wird. So berichten schon einige Medien, dass andere Berechnungen ergeben haben, Golzow, ein kleiner Ort 70 Kilometer südwestlich von Berlin, sei das wahre Zentrum der EU. Laut einem Bericht von AFP scheint dies allerdings unsicher, aber zugleich gibt es keine eindeutig korrekte Methode, wie der Mittelpunkt eines geographischen Raumes zu bestimmen ist. Dies hängt zum Beispiel von der verwendeten Methode der Karten-Projektion ab. Wie auch immer, nach dem Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien voraussichtlich 2007, wird das Zentrum weiter südöstlich rücken.

Aber bis dahin können Kleinmaischeid und seine Umgebung für einen Typus europäischer Durchschnittsregion im positiven Sinne stehen: ziemlich wohlhabend und jung, offen für neue Technologien, mit einer intakten Sozialstruktur und einem reichem kulturellen Erbe.

 

Weiterführende Links:

Wandern auf dem Limesweg bei Höhr - Grenzhausen: http://www.wwv-hg.de/limesweg1.htm

Deutsche Limesstraße - Radweg: http://www.limesstrasse.de/radweg_etappen.htm

Homepage Kleinmaischeid: http://www.kleinmaischeid.de/


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